Feuchtgebiete: Schutzprinzipien von Innendämmsystemen gegen Tauwasser

Beitrag vom Samstag, 15.05.2021

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anatol worch

Dipl.-Phys. Dr.-Ing. Anatol Worch

Seit über 30 Jahren in der Bauphysik: Ihr kompetenter Ansprechpartner in allen Fragen der Bauphysik (Schall, Wärme, Feuchte).

In Deutschland wird insbesondere der Diffusionsprozess von Wasserdampf von innen nach außen während der kalten Jahreszeit kritisch gesehen (Nachweis nach Glaser, DIN 4108-3). 

Eine gute Wärmedämmwirkung kombiniert mit einer hohen Diffusionsoffenheit auf der Innenseite kann zu einer Kondensation im Inneren der Außenwand führen. Dieses Risiko ist bekannt und alle in Deutschland vorhandenen Innendämmsysteme haben eine Lösung entwickelt. Die verschiedenen Ansätze hierzu möchte ich beschreiben und klassifizieren.

 

1. Kondensationsrisiko

Wasserdampfdiffusion findet durch unsere Konstruktionen immer statt, wenn ein Konzentrationsgefälle zwischen Innen und Außen vorliegt. Es handelt sich hierbei um einen sehr geringen Transport, der jedoch ständig stattfindet. Liegt außen eine höhere Konzentration von Wasserdampf in der Außenluft vor als im Wohnraum, so wandern ganz langsam Wassermoleküle durch die Wand von außen nach innen. Liegt innen eine höhere Konzentration vor, so wandern die Wassermoleküle langsam von innen nach außen. Dies ist in aller Regel während der kalten Jahreszeit bei uns in Deutschland der Fall.

Gleichzeitig wird die Außenwand von innen nach außen während des Winters immer kälter, so dass bei gleichbleibenden Wasserdampfgehalt die relative Luftfeuchte immer weiter ansteigt. Dies kann so weit gehen, dass 100 % relative Feuchte erreicht wird und flüssiges Wasser als Tauwasser entsteht. Dies ist ein ganz natürlicher Prozess und findet innerhalb unserer Außenbauteile bei den wechselnden klimatischen Randbedingungen während der Winterzeit regelmäßig statt. 

Durch eine Innendämmung wird nun die Außenwand kälter (da weniger Wärme von innen nach außen geht) und damit ist natürlich die Grenze von 100 % relativer Feuchte schneller erreicht im Vergleich zur ungedämmten, unsanierten Situation. Wir müssen uns also Gedanken machen, wie man mit diesem erhöhten Kondensationsrisiko umgeht. Hierzu haben sich verschiedene Ansätze entwickelt, die ich im Folgenden kurz vorstellen möchte.

 

2. Schutzprinzipien gegen Kondensation innerhalb der Außenwand

2.1 Kondensatverhindernde Innendämmsysteme

Kondensatverhindernde-Innendaemmsysteme

Bei diesem Schutz gegen des erhöhte Kondensationsrisiko wird eine komplett diffusionsdichte Schicht oder ein diffusionsdichter Dämmstoff verwendet (diffusionssperrend oder diffusionsdicht nach DIN 4108-3). Die Idee ist sehr einfach: Wenn keine Wassermoleküle mehr von innen nach außen wandern können, dann kann auch in der kalten Außenwand kein Kondensat mehr entstehen. Voraussetzung ist natürlich eine sehr sorgfältige Verarbeitung, sobald nämlich diese diffusionsdichte Schicht nicht vollständig und/oder beschädigt ist, kann das Einwandern von Wasserdampf nicht mehr verhindert werden. Eine mögliche Kondensation kann dann nicht mehr ausgeschlossen werden.

Bei sehr hoher Feuchtelast im Innenraum ist dieses Schutzprinzip jedoch oftmals das einzige, welches ggf. möglich ist. So habe ich für ein Schwimmbad in einem Rehabilitationscenter (warme, sehr feuchte Innenraumluft) ein Innendämmsystem basierend auf dem komplett diffusionsdichten Dämmstoff Schaumglas empfohlen.

2.2 Kondensatzbegrenzende Innendämmsysteme

Das Schutzprinzip „Kondensatbegrenzend“ folgt der klassischen bauphysikalischen Strategie: So dicht als nötig, so diffusionsoffen wie möglich“. Durch den geschickten Einsatz von beispielsweise feuchteadaptiven Dampfbremsen möchte man den Wasserdampftransport während des Winters von Innen nach Außen so weit begrenzen, dass keine unzulässig hohe Kondensation stattfinden kann (diffusionsbremsende Schicht nach DIN 4108-3).

Kondensation ist bei diesem Schutzprinzip nicht vermieden, sondern reduziert. Es bietet jedoch weiterhin eine Abtrocknungsmöglichkeit nach Innen, wenn sich möglicherweise während der Sommerzeit die Diffusionsrichtung also die Wanderbewegung von Wasserdampf umkehrt oder auch Schlagregenwasser abtrocknen soll. 

2.3 Kondensattolerierende Innendämmsysteme

Bei diesem Schutzprinzip wird praktisch die in Deutschland tradierte Bauweise auf den Kopf gestellt. Hier wird Tauwasser nicht mehr verhindert oder reduziert, man lässt es einfach geschehen. Durch eine bewusste Auswahl von kondensattolerierenden bzw. kapillaraktiven Baustoffen und Bauweisen lässt man eine mögliche Kondensation einfach zu. Wichtig ist jedoch, dass das Abtrocknen insbesondere nach Innen auf jeden Fall möglich bleibt. Diese Systeme benötigen daher dauerhaft eine diffusionsoffene Oberfläche.

Vorteil dieses Prinzip ist es, dass kondensattolerierende Innendämmsysteme eine Abtrocknung dauerhaft sicherstellen. Kleinere Fehler beim Einbau, zusätzliche Feuchtequellen wie beispielsweise aufsteigende Feuchtigkeit können akzeptiert werden, da das so eingedrungene Wasser schnell wieder an die Umgebung abgegeben werden kann. Aus diesem Grund werden solche „kapillaraktiven“ Innendämmungen heute gerne und oft verbaut.

3. Fazit

Jede der hier vorgestellten Umgangsformen mit dem erhöhten Kondensationsrisiko haben ihre Stärken und Schwächen, ihre speziellen Einsatzgebiete als auch Anwendungsgrenzen. Wichtig ist für den Anwender, dass ein sicherer Umgang mit Kondensation möglich ist und man daher keine Angst vor der Innendämmung haben muss. 

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